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© Jonas Walzberg / ZEIT STIFTUNG BUCERIUS
„Kämpft, wo immer ihr seid“: Sechs mutige Journalist:innen und Redaktionen mit Free Media Awards 2025 ausgezeichnet

Während sich die untergehende Sonne noch in den hohen Fenstern des Hamburger Rathauses spiegelt, kommen sie im eindrucksvollen Kaisersaal zusammen: Die Preisträger:innen der Free Media Awards 2025. Sie selbst oder ihre Vertreter:innen sind aus Aserbaidschan, der Ukraine, Georgien, Ungarn, Belarus und Russland angereist, um an diesem Abend den Preis für unabhängige Berichterstattung in Osteuropa und Russland entgegenzunehmen, verliehen von uns als ZEIT STIFTUNG BUCERIUS und der norwegischen Stiftung Fritt Ord. 2025 ehren wir damit die mutige Arbeit von Nargiz Absamalova (Aserbaidschan), Gwara Media (Ukraine), Mzia Amaglobeli (Georgien), Direkt36 (Ungarn), des Belarusian Investigative Center (Belarus) und von Alexandra Astakhova (Russland). Arbeit, die sie unter zum Teil lebensbedrohlichen Bedingungen ausführen, teils im Exil, unter starkem politischem Druck und der Beobachtung von repressiven Regimen. Zwei der Preisträger:innen, Absamalova und Amaglobeli, sind in Aserbaidschan und Georgien aktuell aufgrund ihrer Arbeit inhaftiert und können den Preis nicht persönlich entgegennehmen. Ihren Vertreter:innen und den weiteren Preistragenden hören an diesem Abend zahlreiche Gäste gebannt zu: andere Journalist:innen, Förder:innen und Interessierte sind im Kaisersaal zusammengekommen, um den Kampf für freie Berichterstattung zu ehren. Durch den Abend führt Alice Bota, Jurymitglied der Free Media Awards und Journalistin für DIE ZEIT, begleitet von Musiker Leonard Stanoschefsky am Kontrabass, Stipendiat der Gerd Bucerius-Stipendien der Deutschen Stiftung Musikleben.

„Wir sind heute hier, weil Sie hier sind“, sagt dann Dagmar Reim, Kuratoriumsmitglied der ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, in ihrer Begrüßung im Anschluss an einleitende Worte des Hamburger Kultursenators Carsten Brosda, und wendet sich an die Preisträger:innen. „Von Ihnen fühlen wir uns ermutigt, weil Sie niemals müde werden, weil Sie niemals den Mut verlieren, weil Sie niemals aufgeben.“ Mut, Resilienz und der Wille, ein Risiko auf sich zu nehmen, welches Millionen von Menschen nie eingehen werden – es ist dieser beispiellose Einsatz für die Pressefreiheit, den wir Stiftungen seit 2006 mit der Verleihung der Free Media Awards hervorheben und wertschätzen wollen. „Die Preisträger:innen der Free Media Awards dokumentieren Vorfälle, die die Demokratie herausfordern: Korruption, Staats- und Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen, Machtmissbrauch, Desinformation, Propaganda, Kriegsberichterstattung“, benennt Knut Olav Amas, Executive Director von Fritt Ord, diesen Verdienst. „Transparenz, Vertrauen, Wahrheit – das sind Ihre Werte als Journalist:innen.“

„Kämpft, wo immer ihr seid“ – zwei Preisträgerinnen senden Botschaften aus der Haft

Diese Werte halten die Preisträger:innen unter härtesten Konsequenzen hoch – auch im Gefängnis. Die georgische Preisträgerin Mzia Amaglobeli, Gründerin der Redaktionen von „Batumelebi“ und „Netgazeti“, ist derzeit in Georgien inhaftiert, befand sich im Hungerstreik und leidet unter der unzureichenden medizinischen Versorgung im Gefängnis. In Hamburg wird sie von ihren Kolleginnen Nestan Tsetskhladze und Eter Turadze vertreten, die Amaglobelis unbesiegbaren Willen in die Hansestadt tragen, aber – wie alle Preisträger:innen – auch ihren Dank und die Arbeit unzähliger unbekannter Kolleg:innen hervorheben. Auf dem Podium erklärt Tsetskhladze, warum eine Preisverleihung wie diese so wichtig sei, um Pressefreiheit voranzutreiben. Denn es brauche Anerkennung, Motivation, Ansporn, und Aufmerksamkeit, um den Kampfgeist gegen Unterdrückung, Desinformationen und Gewalt zu erhalten. „Kämpft, bevor es zu spät ist. Kämpft, wo immer ihr seid – im In- oder Ausland, in Dörfern oder Städten, auf der Straße oder im Klassenzimmer, in der Öffentlichkeit oder am Arbeitsplatz“, verliest Tsetskhladze den Appell ihrer inhaftierten Kollegin. „Seid mutig, kümmert euch umeinander und bleibt stark. Lasst nicht zu, dass Georgien von der zivilisierten Welt abgeschnitten wird.

Auch Nargiz Absamalova verbüßt in Aserbaidschan eine Haftstrafe für ihre journalistische Arbeit, die sie jedoch mit allen Mitteln aus dem Gefängnis fortsetzt. Ihren Preis nimmt Absamalovas Kollegin Gunel Safarova entgegen. Eine Nachricht aus dem Gefängnis liest ihr Kollege Afgan Mukhtarli vor. Zuvor habe sie schlicht ihren Job ausgeübt, so Absamalova. Weil das Verstummen von journalistischen Stimmen aber die größte Waffe der Regierung sei, sei ihr mittlerweile klar, dass ihre Arbeit auch im Gefängnis so wichtig sei „wie ein Atemzug. „Selbst die Betonmauern, die uns umgeben, können das freie Wort nicht töten. Wir haben hinter Gittern in Stift und Papier die Kraft des Wortes wiedergefunden. (…) Da wurde mir erneut bewusst, dass mein Beruf noch immer lebendig ist.“

Redaktionen aus Belarus und aus Ungarn ausgezeichnet

Die Gefahren investigativer Recherchen bedrohen in repressiven Regimen aber nicht allein die Existenz oder das Leben von Medienschaffenden. Auch diejenigen, die jene Medien konsumieren, stehen zum Teil unter Beobachtung. Allein das Abonnement eines unabhängigen Titels könne in Belarus zur Gefängnisstrafe führen, schildert Stanislau Ivashkevich, Gründer der mit dem Free Media Award ausgezeichneten Redaktion des Belarusian Investigative Center (BIC). Wie stark die Kräfte von unterdrückenden Mächten sind, schildern auch András Pethő und Zsuzsanna Wirth aus der Redaktion von Direkt36, der mit dem Free Media Award ausgezeichneten Redaktion aus Ungarn: „Während sich die Umstände in Ungarn veränderten, wurde es immer wichtiger, verborgene Wahrheiten aufzudecken. Denn die Mächtigen waren zunehmend daran interessiert, bestimmte Fakten zu verbergen und gleichzeitig eine alternative Realität zu schaffen.“ Ungarn ist zum zweiten Mal Teil der Länderauswahl für die Free Media Awards – aufgrund der sich stark verschlechternden Lage für Pressefreiheit im Land.  Und dennoch, der unermüdliche Einsatz von Journalist:innen setzt darauf, diesen „alternativen“ Realitäten einen korrigierenden Spiegel vorzuhalten – mit Nachdruck. Stanislau Ivashkevich vom Belarusian Investigative Center hat hier Hoffnung: „Die Netzwerke der Korruption und der Umgehung von Sanktionen handeln immer globaler – aber wir, die investigativen Journalisten, auch.“

 

Über die Berichterstattung aus dem Angriffskrieg gegen die Ukraine – und die Foto-Dokumentation politischer Gefangener in Russland

Korruption, Vertuschung, Desinformation und Cyber-Angriffe sind im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine Gefahren, die durch das physische Kriegsgeschehen radikal verstärkt werden. Von der Arbeit unter Beschuss berichtet Serhii Prokopenko auf der Bühne, Chefredakteur der ausgezeichneten Plattform „Gwara Media“ aus der Ukraine: „Wir haben gelernt, dass man, um die Wahrheit zu finden, die Ärmel hochkrempeln und dorthin gehen muss, wo es wehtut. Inmitten der Trümmer zu stehen und nicht nur zu fragen, was passiert ist, sondern auch warum“, beschreibt er die Aufgabe seiner Redaktion im Krieg. „Und dabei zu hoffen, dass nachts keine russische Drohne deine Wohnung trifft – oder dass dich keine FPV-Drohne während der Arbeit ins Visier nimmt.“

Der sechste Award des Abends geht an die russische Fotojournalistin Alexandra Astakhova. In ihrer Arbeit fokussiert sich die unabhängige Fotografin vor allem auf politische Gefangene und will damit zukünftige Generationen – wie ihren eigenen Sohn, der bei der Preisverleihung anwesend ist – mit jenem Wissen über die Realität versorgen, das elementar ist, um sich gegen Autokratien und fortbestehende Unterdrückung zu wehren. Vereint, so Astakhova, seien alle Preisträger:innen vom gemeinsamen Wunsch, Gleichgültigkeit mit Beharrlichkeit zu besiegen – und damit auch Kriege und Menschenfeindlichkeit.

Die Free Medie Awards fanden neben 60 weiteren Veranstaltungen als einer der Höhepunkte der Hamburger Woche der Pressefreiheit 2025 initiiert von uns als ZEIT STIFTUNG BUCERIUS und der Körber-Stiftung und unterstützt von rund 40 Partner:innen, statt. Die Preise werden jährlich von uns und der norwegischen Stiftung Fritt Ord vergeben. Mehr zu den Preisen und vergangenen Preisträger:innen finden Sie hier

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