„Wann ist ein Mann ein Mann?“ fragte Herbert Grönemeyer in den 80er Jahren. Zu einer Zeit, in der in Deutschland der Feminismus in großen Teilen belächelt wurde. Die Ironie, die Wahrheit und der Appell, die in Grönemeyers Songtext stecken, mag vielen gut 40 Jahre später ein wenig antiquiert erscheinen. Es ist schnell dahingesagt, dass es die Männer von damals doch gar nicht mehr gebe, dass Männer sich verändert haben, dass sie offen sind für neue Denkmuster, die alle anderen Geschlechter einbeziehen. Aber … ist das wirklich so?
Heute haben sich in Teilen unserer Gesellschaft Männlichkeitsnormen verschoben. Und doch sind da immer noch die „anderen“ Männer: Die Geldverdiener, die Buddys, die ihre Männerbünde und Über-Egos in Chefetagen oder der Politik pflegen, sich gegenseitig schützen, stärken und bestärken. Diejenigen, die andere Geschlechter nicht gleichberechtigt behandeln, ein traditionelles, manchmal gar „toxisches“ Männlichkeitsbild verkörpern. Das Patriarchat besteht.
Wie vielfältig Männlichkeit sein kann und wie Männer einen neuen Blick auf sich selbst aus feministischen, queeren, nicht-binären Perspektiven bekommen können, diskutiert die Autorin und Journalistin Anna Dushime in der achten Folge unseres Podcasts „Zwischenrufe“ mit ihren Gästen.
Linus Giese, Ozan Zakariya Keskinkılıç und Christoph May: Drei Perspektiven zu Männlichkeiten
Linus Giese ist Buchhändler und Autor. In seinem autobiografischen Roman „Ich bin Linus“ erzählt er über sein Leben als trans Mann. „Als ich mich vor sechs Jahren geoutet habe und dann bei Google nach trans Männern geguckt habe, war das damals schon ganz schön auffällig, dass es so ein typisches Bild gab: Trans Männer waren weiß, hatten keine Brüste mehr, entsprachen einem Idealbild von Männlichkeit. Hypermaskulin! Da gibt es mittlerweile eine größere Offenheit.“
Der Politikwissenschaftler Ozan Zakariya Keskinkılıç setzt sich seit langem mit den Themen Rassismus und Antisemitismus auseinander. Er betont, dass Männerbilder auch immer als rassifizierte Männlichkeiten und marginalisierte Männlichkeiten produziert werden. „Für einen jüdischen Mann stellt sich die Frage, was es heißt, ein Mann zu sein, ganz anders als für einen nicht-jüdischen Mann. Auch für einen muslimischen Mann stellt sich die Frage anders als für einen deutschen, weißen, heterosexuellen cis Mann.“
Christoph May hat das „Institut für Kritische Männerforschung“ mitgegründet. Er gibt Workshops zum Thema Männlichkeiten und wünscht sich in der Debatte einen wacheren Blick der Männer auf sich selbst: „Es geht um traditionelle Männlichkeit, um toxische Männlichkeit, um Verhaltensweisen und um Dominanz. Es geht darum, dass Männer auch mal durchzählen: Wo sind wir zu viele? Wie kann ich meine Privilegien abgeben?“ In den sozialen Medien sieht er eine große Chance für die Gesellschaft, neue Lebensrealitäten und neue Männerbilder kennenzulernen.
Alle vier führen eine Diskussion über Männlichkeitsbilder und Männermacht in Politik und Gesellschaft, über Männlichkeit im historischen Rückblick und ihre Erstarrtheit in aktuellen Debatten. Es ist aber auch eine Diskussion über neue männliche Vorbilder, inspirierende Instagram-Accounts und hoffnungsmachende Entwicklungen der Gleichstellung aller Geschlechter.
Die ganze Podcastfolge gibt es hier bei Spotify und hier bei Apple Music zu hören, außerdem überall, wo es Podcasts gibt.
Die Veranstaltung und die Podcastfolge sind eine Zusammenarbeit der ZEIT STIFTUNG BUCERIUS und Holtzbrinck Berlin.